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Belebung Mittelalterlicher Bräuche durch den Verein

Sitten und Bräuche der Landbewohner, die sich Jahrhunderte, ja vielleicht Jahrtausende im Volke erhalten hatten, sind in unserer schnelllebigen Zeit gänzlich verloren gegangen.

Seit alters waren am Himmelfahrtstag Flurumgänge und -umritte üblich. Strittig ist die Begründung für dieses Tun: Die einen halten sie für einen germanischen Rechtsbrauch, wonach jeder Grundeigentümer einmal im Jahr seinen Besitz umschreiten musste, um den Besitzanspruch aufrechtzuerhalten. In den alten Zeiten waren Flurumgänge und Grenzschauen aber auch notwendig, um die Landaufteilung, die ja kaum schriftlich vorlag, zu erhalten. Am letzten Grenzpunkt erhielten die Knaben Schläge auf ein gewisses Körperteil oder gar eine gewaltige Maulschelle. Dieses "Erinnerungsmittel" sollte dem also Behandelten auf immer die genaue Grenzlinie einprägen.

Die christliche Tradition ergänzte oder ersetzte diese Erklärung: Es handle sich um die Imitation des Gangs der elf Jünger zum Ölberg.

Traditionell waren die Bitttage dazu da, Gott um Gnade zu bitten, um Fruchtbarkeit für Feld und Flur, um Verhütung von Hagel, Frost und anderen Unwetter. Wie auch beim Mittfasten sind die Flurumgänge zum Himmelfahrtstag mit Frühlingsbräuchen wie dem Kampf zwischen Sommer und Winter verknüpft, in denen vorchristliche und christliche Naturvorstellungen lebendig sind. (Mittfasten war eine Art "Bergfest" der vierzigtägigen Fastenzeit, an dem vor Ostern das Fasten ausgesetzt wurde. Wie Moses aus der Ferne das Gelobte Land sah, so sieht der Christ von Mittfasten aus das Osterfest.)

Das Feuer, Symbol der Sonne, des kommenden Sommers, soll die Natur wecken, Fruchtbarkeit bewirken. Die Frühlingsbräuche sind im wesentlichen Frühlingsspiele. Das Scheibenschlagen ist heute noch üblich: Glühende Holzscheiben oder brennende Karrenräder wurden von einem Hügel oder Berg ins Tal laufen gelassen. Funkenschlagen, das Schwenken einer mit Stroh umwickelten brennenden Stange, hatte den gleichen Sinn. Beim Saatgang zog man mit brennenden Fackeln durch die Felder. Fackelschwingen oder Fackelwettrennen waren gleichfalls üblich. Saatwecken war auch ein Oberbegriff für Scheibenschlagen, Fackelschwingen etc.

Die symbolische Verabschiedung des Winters gehörte mit zu den Frühlingsbräuchen. Nach einem alten wendischen Bauch wurde der Winter in Form einer Holz- oder Strohpuppe vor das Dorf getragen und ertränkt oder verbrannt. In einigen Gegenden Deutschlands schloss sich an das Winterverbrennen das Totenfangen an, ein Fangspiel der Jugendlichen. Als ob der Tod sie selbst verfolgte, stoben die Kinder davon.

Worin auch immer Grund oder Anlass der Flurumgänge gelegen haben mögen: Schon im Mittelalter hatten sie oft den religiösen Sinn verloren und waren mancherorts zu quasireligiösen Touren verkommen, bei denen der Alkohol eine erheblich größere Rolle spielte als das Weihwasser. Aus diesen - von der Reformation geächteten und der katholischen Kirche bekämpften - Sauftouren entwickelten sich im 19. Jahrhundert "Herrenpartien" oder "Schinkentouren", die - nach Einführung des "Muttertages" 1908 bzw. 1914 - problemlos zum Gegenstück, dem "Vatertag" wurden.

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