Das Sühnekreuz in Eggersdorf: Junkermord 1512 ?

Nacherzählung anlässlich des 5. Dorffestes 2003 zur 680 - Jahr - Feier von Eggersdorf

Das 16. Jahrhundert beginnt. Immer noch machen die Raubritter die Heerstraßen unsicher. Und unsere Bauern haben noch oft gezittert und gebetet:

Vor Köckeritz und Lüderitz, vor Krachten und vor Itzenplitz - Bewahre uns, Herr Gott.

Man sieht den alten Gutsherrn Mathäus Trebus in größter Geldverlegenheit. Das Treiben seines hitzköpfigen Sohnes Lorenz bringt ihn in arge Bedrängnis. Nur durch Verkauf von vielen Hufen guten Ackerlandes an seinen Widersacher Ritter Röbel kann er bisher den Ruin verhindern. Und Röbel ist ein harter Mensch, in seinem Keller lag so mancher arme Bauer in Ketten. Den Junker Lorenz hat er zur Schande der Familie als Zechpreller an den Pranger stellen lassen. Und so sitzt der Groll der Trebuse gegen den alten Röbel tief.

Der Streit zwischen den Familien soll 1512 auf dem Dorfanger ein böses Ende nehmen. Der alte Röbel sitzt im Dorfkrug bei gutem Bier, als der leicht reizbare Junker Lorenz eintritt. Noch in der offenen Tür grollt der Junker:

Nicht einmal hier hat man Ruhe vor dem Blutsauger.

Der alte Röbel bleibt zunächst ruhig. Und so zechen sie eine Weile, ohne dass einer dem anderen in die Augen blickt.

Nach einiger Zeit sticht den jungen Trebus wieder der Hafer, und er packt die vorbeieilende Magd, um ihr unzüchtig und grob unter den Rock zu greifen. Da dem Mädchen das offenbar überhaupt nicht gefällt, wehrt es sich - aber vergebens. Trebus wird immer aufdringlicher und zerrt sie unter lautem Getöse auf die Bank.

Da erhebt der alte Röbel seine Stimme:

Willst wieder an den Pranger? Verhurst deines Vaters letzten Hufen Land, du Nichtsnutz.

Nun kann der junge Hitzkopf sich nicht mehr halten. Er reißt sein Schwert aus der Scheide und fordert den Alten:

Komm, alter Feigling, wo ist deine Ritterehre.

Bei seiner Ehre darf man auch den Alten nicht packen. Seine Wut kennt nun keine Grenzen mehr. Ein Zweikampf ohne des Gesetzes Regeln beginnt in der niedrigen Gaststube. Sie stechen aufeinander ein, bis die Spitzen der Schwerter in der Stubendecke stecken bleiben.

Nun stürmen Sie hinaus vor das Gasthaus und schlagen wild aufeinander ein. Doch der Fechtkunst des jungen Ritters ist der Alte nicht gewachsen. Zu Tode getroffen bricht er mit einem Wehgeschrei zusammen und verhaucht sein Leben.

Hart ist die Strafe der Landesfürsten. Um seinen Sohn zu retten, muss der Gutsherr zur Sühne der Tat viele harte Strafen hinnehmen, die ihn völlig ruinieren. So muss er einen Vergleich mit der Witwe des Getöteten schließen, um diese gebührend materiell abzusichern. Schließlich muss der alte Trebus dem Landesherrn auch den 200jährigen Stolz der Familie übergeben, das Patronat über den St. Erasmusaltar in der Kirche St. Marien zu Strausberg.

Und er muss - so erzählt man sich noch heute - ein Kreuz an der Stelle der Mordtat errichten. Ein Kreuz zur Sühne dieser Tat.

Die Chronisten bezweifeln einen Zusammenhang des Kreuzes mit dieser Tat, der Stein ist wesentlich älter. Der Aberglaube hinterließ aber noch eine weitere Spur: Unheil, Krankheit, Fluch und Tod sollen denjenigen ereilen, der das Kreuz von seinem Platze fortnimmt. Das vermutliche Alter und dieser Fluch lassen Parallelen mit anderen ähnlichen steinernen Zeugen zu:

In Ellingen in der Uckermark steht ein steinernes Kreuz, welches als Zeugnis christlicher Frühzeit bekannt ist. Eingemeißelte Kreise, vermutlich Sonnenräder, lassen auf Heidnische Ursprünge schließen. Auch aus Friedersdorf bei Fürstenwalde und Arenzhain westlich von Finsterwalde sind derartige Kreuze bekannt.

Im Naturglauben der vorchristlichen Zeit waren neben den alten Eichen der Urwälder insbesondere die von der Eiszeit herangetragenen riesigen Steine von besonderer Bedeutung. In ihnen vermuteten sie die besondere Kraft ihrer Götter. Steinkreise, die vielleicht schon vor Jahrtausenden aufgerichtet wurden, galten als besonders heilig. So soll in Wandlitz einst ein Steinkreis als Heiligtum der Göttin Wanda gestanden haben. Die Steine wurden erst vor etwa 100 Jahren zu Straßenschotter gebrochen. Auch in Eggersdorf existieren heute im Verborgenen große Findlinge, deren religiöse Bedeutung nicht dokumentiert ist. Beim Neubau der Kirche fand man diese Steine im Fundament der alten, abgebrannten Kirche - und ließ sie dort.

War es ein besonders bösartiger Akt der christlichen Missionare, heidnische Kultstätten mit Kirchen zu überbauen und vielleicht heilige Steine zu Kreuzen zu verarbeiten? Oder war es der Versuch, die Übernahme der Religion zu vereinfachen?

Mit dieser Frage nähern wir uns einer interessanten, äußerst umstrittenen Problematik. Wer lebte eigentlich vor 1000 Jahren in unserer Region zwischen Spree und Oder? Heiden - Steine - Kreuze: hier haben wir Relikte aus der Zeit der Christianisierung des Volkes, welches man heute gemeinhin als Slawen bezeichnet.

In den deutschen Geschichtsbüchern findet man zum Hochmittelalter vorrangig Beschreibungen der Verhältnisse westlich der Elbe. Der Überlebenskampf der Menschen zwischen Elbe und Oder vor 1000 Jahren wird nahezu vollständig ausgeblendet. Durch den Nationalsozialismus und in der Folge durch einen stalinistisch geprägten Panslawismus wurde die Geschichte dieses Volkes von der Geschichte Deutschlands getrennt. Eine regionale und nationale Identifizierung ist bei der Elterngeneration verdrängt worden. Ein Heimatgefühl, wie es z.B. in Frankreich, England oder Polen zum normalen nationalen Selbstverständnis gehört, ist hierzulande geradezu verpönt und wird vorrangig dem politischen Extremismus überlassen.

So begeben wir uns auf die Suche nach dem vergessenen Volk.